Hinlänglich bekannt und in Diagnostik und Therapie verbreitet sind Bluthochdruckformen, die vor allem am Tag auf-treten. Ein Schattendasein führt die Schlafhypertonie. So wird ein hoher Blutdruck bezeichnet, der in der Nacht auftritt, wobei am Tag keine erhöhten Blutdruckwerte gemessen werden.
Normalerweise sinkt der Blutdruck im Schlaf durch die erhöhte Vagusaktivität. Werte von unter 120/70 mmHg sind dann als normal anzusehen – etwa 10–20 % niedriger als am Tag. Auslösender Faktor des hohen Blutdrucks in der Nacht scheint das Liegen zu sein (siehe Abb. 2).
Oft wird ein nächtlicher Bluthoch-druck nur zufällig entdeckt. Der Patient erwacht in der Nacht von Herzbeschwerden – zum Beispiel Druck auf der Brust oder Herzrhythmusstörungen mit einhergehenden Palpitationen –, misst dann selbst den Blutdruck und stellt die Hypertonie fest. Oder er misst früh morgens einen hohen Blutdruck, woraufhin eine Langzeitblutdruckuntersuchung durchgeführt wird.
In der Regel ist ein erhöhter Druck des Blutvolumens auf die Innenschicht des Herzens verantwortlich. Besonders emp-findlich für dieses sogenannte Herz-In-nendruck-Syndrom sind Patienten mit einer verdickten Herzwand (Myokard). Diese kann zum Beispiel in Folge einer Schilddrüsenentzündung entstehen. Bei der Schilddrüsenentzündung werden verstärkt Schilddrüsenhormone freige-setzt, was zu einer Vermehrung adrener-ger Rezeptoren führt. Die Folge: Das Herz zieht sich stärker zusammen (Hyperkon-traktilität) und bleibt insgesamt stärker zusammengezogen. Hierbei verdickt sich die Herzwand mit dem Resultat einer po-tenziell reversiblen Dehnbarkeitsstörung (diastolische Herzinsuffizienz). Das heißt, das Herz ist weniger dehnbar, was den Innendruck erhöht.
Eine Dehnbarkeitsstörung kann au-ßerdem bedingt sein durch unterschiedliche Faktoren wie eine Herzmuskelent-zündung oder einen stattgefundenen Myokardinfarkt mit einer resultierenden Versteifung der Herzwand. Das weniger dehnbare Herz kann auf jede Art von Vo-lumenänderung nicht mehr flexibel ge-nug reagieren.
Ebenso kann eine Aorteninsuffizienz mit einem vermehrten Rücklauf und da-durch resultierendem stärkeren Innen-druck den Sympathikus aktivieren.
Merke
Der Druck auf die Innenschicht führt zu einer relativen Durchblutungsstörung der inneren Myokardschichten bei Volumenbelastung. Wie geschieht das? Die Herzmuskulatur wird über die Herzkranzgefäße von außen nach innen versorgt. Einströmendes Blutvolumen im Liegen erhöht den Innendruck. Dieser erhöhte Druck auf die inneren Myokardschichten verhindert eine effektive Durchblutung, denn das über die Herzkranzgefäße einströmende Blut kann den dafür erforderlichen Gegendruck nicht aufbringen (siehe Abb. 2).
Dies wird vom Vegetativum als massive Notsituation eingeschätzt, denn eine Durchblutungsminderung am zentralen, kreislauferzeugenden Organ muss zwingend beseitigt werden. Somit wird der Sympathikus aktiviert, um die Durchblutung auf die lebenswichtigen Organe zu zentralisieren. Außerdem soll die Aktivierung des Atemzentrums mehr Sauerstoff zur Verfügung stellen. Das Zentralisieren des Blutvolumens erhöht den Druck auf die Innenschicht weiter und verstärkt so die Sympathikuserregung. Das mündet in einem Teufelskreis aus Innendruck und Sympathikusaktivität, der sich immer weiter hochschaukeln kann, bis der Betroffene dann in der Nacht aus dem Schlaf hochschreckt und unter den Auswirkungen der erhöhten Sympathikusaktivität leidet: Herzrasen, Schweiausbrüche und Hypertonie.
Zur höheren Genauigkeit der Untersuchung entnimmt man mittels Hämatokritkapillaren je 6 Blutproben aus der Fingerbeere (kapillar) und aus der Vene und zentrifugiert sie in einer Hämatokritzentrifuge ab. Anschließend liest man die jeweiligen Hämatokritwerte in Millilitern ab und trägt sie in die Tabelle eines von Dr. Peter Hain entwickelten Excel-Programms ein.
Man erhält in der Tabelle aus den jeweils 6 Einzelwerten einen Mittelwert für den venösen (V) und kapillaren (K) Hämatokrit. Nun wird die Differenz gebildet, indem der kapillare Hämatokrit-wert vom venösen subtrahiert wird (V–K).
Merke
Merke
Charlotte D. nahm bereits Crataegus AL 450 mg (Fa. Aliud Pharma) zur Nacht ein, um die Gefäße zu erweitern. Ich verordnete zusätzlich 1 Drg. Allunapret® (Fa. Bionorica) zur Nacht, um das Vegetativum zu beruhigen. Auch hatte ich bereits bei der Untersuchung des Doppel-Hämatokrits einen Aderlass von 53 ml durch-geführt.
Am folgenden Tag zeigte sich bereits eine deutliche Besserung in der Blutgasanalyse mit einem pCO2 von 38,5 mmHg, was nahezu ideal ist. Im EKG fand sich immer noch eine Reaktion nach dem An-heben der Beine, die sich jedoch im Verlauf der Belastung schon zurückbildete. Charlotte D. berichtete freudestrahlend, dass sie erstmals seit Monaten wieder 4 Stunden am Stück geschlafen hatte. Auch war sie nicht mit einem unangenehm spürbaren Herzschlag wach geworden, sondern fühlte sich ausgeruht. Die Kontrolluntersuchung des Hämatokrits wies auf eine geringfügige Verdünnung (Reduktion des Hämatokrits) hin, wobei die Differenz noch immer 1,9 % betrug. Noch einmal wurde ein kleiner Aderlass von 35 ml durchgeführt. Ich reduzierte die Menge, um den Sympathikus nicht durch eine zu große Volumenentnahme zu aktivieren.
Im anschließend durchgeführten Ultraschall fanden sich in der Tat die bereits bekannten Knoten in der Schilddrüse. Beim Ultraschall am Herz fand sich mit einer Ejektionsfraktion von 58 % und einem Herzminutenvolumen von 4,8 l/min fast schon ein überkräftiges Herz, wie man es oftmals bei einer Hyperkontraktilität nach Schilddrüsenentzündung findet. Im Mitralklappenströmungsprofil und auch im Gewebedoppler zeigte sich tatsächlich eine diastolische Herzinsuffizienz, also eine Dehnbarkeitsstörung des Herzens.
Am dritten Untersuchungstag hatte sich der EKG-Befund weiter normalisiert. Als Zeichen einer Herzleistungsverbesserung war auch die Differenz V–K auf 0,9 % gesunken, und die Konzentrierung be-trug 71,4 ml. Diese verbesserte Herzleistung kommt zustande, weil die Dehnbarkeitsstörung zurückgeht und die Kammern sich wieder besser füllen. Der am ersten Behandlungstag gemessene er-höhte Blutdruck war am dritten Tag auf einen Wert von 120/70 mmHg zurückgegangen. Ein hoher Blutdruck in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden konnte seitdem nicht mehr festgestellt werden.
Als weitere Therapie führten wir in 3- bis 4-wöchigen Abständen kleine Aderlässe von 60 ml durch. Charlotte D. nahm am Abend weiterhin 1 Drg. Allunapret®, 1 Tbl.Crataegus 450 mg und zusätzlich morgens und abends 2 Kps. Schachtel-halm- 225 mg (Fa. Gall Pharma) zur Entwässerung ein.
Kontrolluntersuchungen im Abstand von drei Monaten, dann sechs Monaten und dann einem Jahr bestätigten den Therapieerfolg. Hierzu führte ich jeweils die Doppel-Hämatokrit-Analyse, eine Bestimmung des NT-proBNPs, ein Volumen-EKG und eine Blutgasanalyse durch.
Die diastolische Herzinsuffizienz und die damit einhergehende Schlafhypertonie werden ein immer häufiger auftretendes Problem in der Zukunft darstellen. Denn Menschen haben immer weniger Möglichkeiten, um sich vegetativ effektiv zu erholen. Als Folge der übermäßigen Sympathikusaktivität können sich Dehnbarkeitsstörung des Herzens entwickeln. Wie der Fall von Charlotte D. zeigt, stellt die naturheilkundliche Volumenreduktion und Entspannung des Vegetativums eine sinnvolle Therapieoption dar.
Autor: Fabian Hain
Quelle: http://dx.doi.org/10.1055/a-0829-0355
Aus „Deutsche Heilpraktiker Zeitschrift“ 01/2019.