Eines der großen Themen in der Medizin stellt die immer stärkere Spezialisierung auf einzelne Organe dar. Nur auf diese Weise – so die Vermutung – kann eine maximal gute Versorgung der einzelnen Organe sichergestellt werden. Dadurch haben wir derzeit eine Situation erreicht, in der tatsächlich großes Fachwissen für eine Fachrichtung bei einem Arzt gefunden werden kann. Dies bedeutet aber gleichzeitig auch, dass ein Denken in größeren Zusammenhängen zwischen den Organsystemen im klinischen Alltag oftmals auf der Strecke bleibt. Ein gutes Beispiel ist hier der Zusammenhang zwischen dem Herz und der Schilddrüse und einem daraus resultierenden Burnout.

Das Herz und die Schilddrüse

Eine Überfunktion der Schilddrüse führt immer zu einer Vermehrung der adrenergen Rezeptoren (Empfänger für Stresshormone) in allen Organen. Diese Regulation ist DIE Aufgabe der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Triiodthyronin (T3). Auch eine Übermedikamentierung mit Schilddrüsenhormonen führt zu der beschriebenen Vermehrung der adrenergen Rezeptoren. Jede Vermehrung adrenerger Rezeptoren führt zu einer höheren Stressbereitschaft des Körpers.

Es kommt durch die Rezeptorenvermehrung zu einer zu starken Zusammenziehung des Herzens und somit zu einer Dehnbarkeitsstörung – auch als diastolische Herzinsuffizienz bekannt. In der Folge entstehen regelmäßig im Liegen Probleme: Das aus den Beinen anflutende Blutvolumen führt zu einem erhöhten Innendruck am Herzen. Das Herz kann sich nun aber nicht mehr so gut erweitern, um das Blutvolumen aufzunehmen und es kommt in der Folge zu einer Durchblutungsstörung der Herzinnenschicht.

Das bedeutet für den Organismus einen Notfall und es werden Regelmechanismen aktiviert, die die Sauerstoffversorgung am Herzen wieder sicherstellen sollen.

Herz Grafik

Als Folge dieser sogenannten Sympathikusaktivierung kommt es zu einer Erhöhung des Blutdrucks und einer Beschleunigung der Atmung, die letztlich über eine Reduktion der Kohlensäure Muskelkrämpfe hervorrufen kann. Der Sympathikus bedingt auch eine direkte Aktivierung der Nebenniere und eine Freisetzung von Adrenalin. Dieses Adrenalin bindet nun an die vermehrten Rezeptoren und es kommt zu einer sehr viel stärkeren Reaktion als normalerweise. Dadurch, dass die ß-Rezeptoren regelmäßig mit Adrenalin bedeckt werden, werden sie vom Körper nicht mehr abgebaut und der Körper bleibt vermehrt „stressbar“. Vielen schilddrüsenkranken Menschen wird nachgesagt, sie seien schneller als andere oder sähen jünger aus. Wer hört das nicht gerne? Doch diese Schnelligkeit ist mit der beschriebenen vermehrten Stressbarkeit erkauft, die früher oder später zu Problemen führt.

Die Schilddrüse und Burnout

Durch die beschriebene Rezeptorenvermehrung und dadurch bedingte vermehrte Stressbarkeit resultieren irgendwann Probleme, die nicht mehr kompensiert werden können. Oftmals ist der Nachtschlaf regelmäßig durch Wachphasen mit Schweißausbrüchen und Angstgefühlen gestört. Hinzu gesellen sich Grübelphasen. Da der Nachtschlaf nicht mehr erholsam ist, ist man tagsüber nicht mehr leistungsfähig. Nun kommt es – auch weil man vorher schneller als „normal“ war –  zu einer Überhöhung der eigenen Ansprüche nach dem Motto: „Das habe ich doch früher mit links gemacht…“ und dadurch auch wieder zu einem höheren Stresslevel.

In Folge bleibt der Adrenalinspiegel auch tagsüber hoch und es entwickelt sich ein Teufelskreis aus Schlafstörungen, verminderter Leistungsfähigkeit und Vermehrung der vegetativen Anspannung am Tag und in der Nacht. Diese Entwicklung mündet in einen sogenannten Burn-Out.

In dieser Situation wird oft zufällig bei einer hausärztlichen Untersuchung ein erhöhter Blutdruck festgestellt. Dieser durch eine verminderte Dehnbarkeit des Herzens und eine erhöhte Sympathikusaktivität in der Nacht ausgelöste Bluthochdruck ist mit der Standardtherapie oftmals nicht oder nur schlecht einstellbar. Bei einigen Patienten kommt es sogar zu einer Paradox-Reaktion und die blutdrucksenkenden Medikamente führen zu einer Sympathikusaktivierung und so zu einer Erhöhung des Blutdrucks. Eine Ursache des Bluthochdrucks wird in solchen Fällen nicht gefunden und die Diagnose einer essentiellen Hypertonie gestellt. Dies führt häufig zur Verzweiflung der Patienten. Gerade bei diesen Menschen sind es oft Dosisreduktionen, die zum Erfolg führen oder auch Therapien wie kleinere Aderlässe, um den erhöhten Druck an der Herzinnenschicht zu verringern. Auch bekommen viele Frauen aufgrund der ausbleibenden Regelblutung nach der Menopause dann plötzlich einen hohen Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen, da mehr Blutvolumen an der Herzinnenwand drückt.

Schilddrüse und Vorhofflimmern

Eine von uns immer wieder beobachtete Möglichkeit für die Entstehung von Vorhofflimmern scheint die durch eine Verstärkung der Herzwand ausgelöste Dehnbarkeitsstörung (diastolische Herzinsuffizienz) zu sein. Das Blut aus den Vorhöfen kann nicht mehr schnell genug in die Hauptkammern aufgenommen werden und staut sich auf diese Weise zurück in die Vorhöfe. Auch bei einer Undichtigkeit der Mitralklappe (zwischen linkem Vorhof und linker Hauptkammer) kommt es zu diesem Rückstau des Blutes in den Vorhof. Hier wird das Reizleitungsgewebe „gedrückt“ und gedehnt, was physiologisch zu einer vermehrten ungeordneten Entladung führt. Man kann sich das ähnlich vorstellen, wie beim Anstoßen des „Musikanten-Knochen“. Auch hierbei wird ein Reizleiter (der Ellennerv) angestoßen und damit gedehnt. Dies führt zu einer Reizerzeugung und es kommt zu den bekannten Gefühlserscheinungen im kleinen Finger (Versorgungsgebiet der Nerven).

So ist es auch erklärbar, dass bei diesen Patienten der Versuch, mittels Elektroschockes oder Medikamenten den Sinusrhythmus wieder herzustellen und/oder eine Verödung und Zerstörung von elektrisch aktivem Gewebe keinen Erfolg in der Therapie der Rhythmusstörungen bringt. Es fehlt eine Ursachenforschung, die die biochemischen und physiologischen Vorgänge im Körper und die damit einhergehende Beeinflussung der Organe untereinander in den Vordergrund rückt. Bereits im Jahr 2017 ist eine Publikation im „Allgemeinarzt“ erschienen, die eindrucksvoll ein Fallbeispiel beschreibt, in dem eine Überdosierung von SD-Hormonen bei einem Patienten zu massiven Herzrhythmusstörungen geführt habe, die nach dem Absetzen der Medikation wieder verschwanden. Was bei dieser kurzen Thyroxin-Einnahme noch rasch wieder normalisiert werden konnte, ist bei einer lang andauernden Überversorgung mit Thyroxin – sei es durch eine Entzündung oder durch eine zu hohe Substitution – nicht so einfach zurückzustellen.

Ganzheitliche Diagnostik und Früherkennung ist wichtig

Aus dem klinischen Alltag heraus sind in den letzten Jahren zahlreiche Methoden entwickelt worden, die eine Früherkennung und Therapiekontrolle möglich machen. Zu ihnen zählen unter anderem der Doppel-Hämatokrit nach Dr. Peter Hain, die Blutgasanalyse oder das Volumen-EKG.

Burnout Herz und Schilddrüse

Viele Wirkungen – eine Ursache?

Die Liste der Symptome und Erkrankungen, die durch eine Schilddrüsenentzündung oder eine Überversorgung mit Schilddrüsenhormonen ausgelöst werden kann, ist sicherlich noch viel länger. Eine Rezeptorenvermehrung wie nach einer Schilddrüsenentzündung führt über kurz oder lang zu Problemen, die eigentlich relativ einfach zu therapieren wären, wenn man die Verdickung des Herzmuskels und als Folge daraus die Dehnbarkeitsstörung stärker in den klinischen Fokus rücken würde. Leider wird kaum im klinischen Alltag darauf hingewiesen, dass dieser Zusammenhang besteht. Eher wird ein Patient als psychisch auffällig oder eingebildet krank abgestempelt, als dass man auf die Suche nach der Erkrankung geht.

Ganzheitliche Untersuchung braucht Zeit

Eine immer stärkere Spezialisierung in einzelne Fachdisziplinen kann nur ein Teil der Ausrichtung einer zukunftsorientierten Medizin sein. Es ist wichtig, eine ganzheitliche Betrachtung in das Zentrum des Denkens zu stellen – genau dies tun wir in unserer Praxis. So können wir zum Beispiel mit den beschriebenen Methoden sehr gut Früherkennung betreiben  und Patienten unter Anwendung naturheilkundlicher Therapien, wie zum Beispiel dem Aderlass, eine individualisierte Therapie ermöglichen und langfristig Medikamente einsparen.

Autor: Fabian Hain

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Über uns

In Unserer Praxis betrachten wir den Menschen als Ganzes. Dazu wenden wir zentrale Diagnostik- und Therapieverfahren der sanften Herzmedizin nach meinem Onkel, Dr. Peter Hain, an. Wir kombinieren Schulmedizin und Naturheilkunde und erzielen damit beispiellose Behandlungs- und Therapieergebnisse.